… Svenja, die in ihrer Tätigkeit als Doula und Familienberaterin auch Kinderwunschberatung in Deutschland anbietet. Die neue Interviewreihe startet bei einem Glas Weißwein (neben Milchkaffee mit Karamellsirup Svenjas Lieblingsgetränk ;-)) in die erste Runde.
Letzte Woche hat mir Svenja von gefühlsBegleitet alle meine Fragen beantwortet: Wie sieht Kinderwunschberatung aus? Was macht eine Doula? Und wie können wir – gerade nach jahrelangem Kinderwunsch oder Fehlgeburten – die Geburt so gestalten, wie wir das möchten?
Eine Doula? Ja, auch wenn das hier ein Kinderwunschblog ist, und ich noch immer nicht schwanger bin. Aber gerade die Kinderwunsch-Zeit ist so belastend. Umso wichtiger ist es aber, am Ende der Kinderwunschbehandlung nicht auch am Ende der Kräfte zu sein – dann, wenn die Schwangerschaft da ist. „Die Ängste sind nicht einfach weg – auch nicht, wenn das Kind da ist“. Svenja hilft als Doula, eine schwierige Kinderwunschzeit, Fehlgeburten oder auch traumatische Geburten aufzuarbeiten. Und sie weiß wovon sie spricht – nach vier Jahren warten aufs Wunschkind, einer Eileiterschwangerschaft und einer Fehlgeburt.

Christina: Was machst du genau als Kinderwunschberaterin?
Svenja: Hier geht es vor allem um die psychosoziale Begleitung in der Kinderwunschzeit, nicht um medizinische Beratung. Die vielen Termine, die unterschiedlichen Behandlungen, der Geschlechtsverkehr nach Plan – das alles ist sehr kräftezehrend. In diesen Phasen ist es besonders wichtig, sich als Paar nicht zu vergessen. Gerade die spontane Sexualität geht oft verloren. Nicht selten wird das gesamte Leben vom Kinderwunsch vereinnahmt. Das ist verständlich aber macht es nicht einfacher – erst recht nicht, wenn im Freundeskreis Schwangerschaften oder Kinder ständig Thema sind. Teilweise fühlen sich die Paare dann unfähig, weiterzumachen und wissen nicht wie sie das alles aushalten sollen. Hier setzte meine Arbeit als Kinderwunschberaterin an.
Christina: Kommen eher nur Frauen oder auch Paare zu dir?
Svenja: Zu 90 Prozent werde ich von Frauen kontaktiert, ich hör dann oft auch: „Mein Mann hält da gar nix von!“ Die Männer sagen nicht selten zu ihren Frauen: „Wenn es dir hilft, und du das brauchst, geh da mal hin.“ Klassisch machen die Männer viel mit sich selbst aus. Mir ist es aber wichtig, dass die Partner auch ein Teil der Beratung sind – denn sie erleben diese Zeit auch als Belastung, aber eben anders als ihre Partnerinnen.
Christina: Wie sieht die Arbeit einer Doula aus?
Svenja: Als Doula begleite ich die Schwangerschaft, die Geburt und auch die Zeit danach. Der Begriff „Doula“ kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet „Dienerin“. Viele stellen sich unter dem Begriff „Esoteriktanten“ vor. Sicherlich gibt es esotherisch veranlagte Doulas oder solche, die sogar im heilenden Bereich arbeiten. Aber das ist bei Weitem nicht die Mehrheit. Gerade nach Fehlgeburten, traumatischen Geburtserlebnissen oder einer schwierigen Kinderwunschzeit kann ich unterstützen: Was sind jetzt Deine Bedürfnisse? Wie kannst Du wieder auf Dein Bauchgefühl hören? Wie soll Deine Geburt aussehen? Wie kannst Du Deine traumatische Geburt oder Totgeburt aufarbeiten? Im Fall von traumatischen Geburtserlebnissen arbeite ich mit einer speziellen Erzählmethode, um die Ereignisse zu verarbeiten. Nicht selten höre ich während meiner Beratung den Satz: „Wären wir besser auf die Geburt vorbereitet gewesen, wäre vielleicht alles anders gekommen.“
Christina: Wie kann man sich denn gut auf eine Geburt vorbereiten?
Svenja: Ich sehe heute eine immense Verunsicherung beim Thema Geburt. Es ist unter anderem dieser Mythos, dass die Geburt ein Ereignis zwischen Leben und Tod ist, bei dem früher Frauen gestorben sind – oder die Babys erstickt. Tatsache ist aber, dass Mütter und Kinder so gut wie nie beim Pressen im Geburtskanal gestorben sind, sondern im Wochenbett, durch Infektionen, oder weil sie einfach zu schwach waren. Ein weiterer Punkt ist: Schwangerschaft ist keine Krankheit. Aber bei einer Geburt im Krankenhaus, wie sie heutzutage durchgeführt wird, sind Gebärende Patientinnen und werden auch wie solche behandelt. Es ist ein medizinischer, fremder Ort ohne die nötige Privatsphäre.
Ich versuche das den Männern immer so zu erklären: Stell dir vor, du merkst, dass du Stuhlgang bekommst. Und jetzt stell dir vor, du musst diesen intimen Vorgang vor anderen, total fremden Menschen durchführen. Während diese dir dann noch sagen: „Jetzt musst du pressen. Nein, so ist das nicht gut, du musst stärker pressen. Geh mehr in die Knie. So funktioniert das nicht.“ Du bist ständig unter Beobachtung, bei hellem Licht unter wechselndem Personal – die dir alle sagen, wie es richtig geht. Dabei weißt du ja eigentlich instinktiv wie es richtig geht. Aber du wirst dadurch immer unsicherer, weil du vielleicht nicht der Norm entsprichst. Und dann lässt du irgendwann alles mit dir machen, um in dir Norm zu passen. Danach macht es bei vielen Männern „klick“ wie es ihrer Frau wohl ergangen sein kann.
Christina (lacht): Also ich stell mir das wirklich schrecklich vor, aber das ist ein super Vergleich! Was machst du dann als Doula genau bei der Geburt im Krankenhaus?
Svenja: Leider dürfen wir gerade wegen Covid-19 nicht in alle Kreißsäle, das ist sehr traurig. Aber während einer Geburt massiere und streichle ich die Schwangere, halte sie fest, beruhige und bestärke sie. Ich hole ihr und ihrem Mann etwas zu Trinken oder zu Essen, damit der Partner bei seiner Frau bleiben kann. Wichtig ist auch der Austausch mit dem Klinikpersonal. Wenn Entscheidungen zu treffen sind, ist es für das Paar in dieser Stresssituation oft schwer, alle Informationen zu verstehen und zu verarbeiten. Ich versuche dann zu vermitteln oder die richtigen Fragen zu stellen. Im Vorfeld erstellen wir außerdem schon eine Wunschliste für die Geburt. Zum Beispiel, wenn eine Frau gerne baden möchte. Dann erinnere ich sie daran oder mache ich sie darauf aufmerksam, dass ein Bad mit einer PDA nicht möglich ist. Oder aber wenn es um den Bonding-Prozess geht. Dann achte ich darauf, dass auch wirklich ein Bonding stattfindet, wenn Mutter und Kind bereit dafür sind. Da die Geburt so aufwühlend und emotional für das Paar ist, werden viele Dinge einfach vergessen, die dem Paar vorab sehr wichtig waren. Im Krankenhaus-Alltag geht zudem Vieles unter. Deshalb bin ich da.
Christina: Vielen Dank für das Gespräch!
Gerne doch! 🙂
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